Warum Diäten scheitern: Der Jo-Jo-Effekt hat eine genetische Ursache (2024)

Fettzellen werden durch Übergewicht darauf programmiert, viel Fett einzulagern und Hunger zu signalisieren. Ein Gewichtsverlust verändert das nicht.

Stephanie Lahrtz

4 min

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Nach einer Diät ist erst einmal etwas geschafft: Unnötige Pfunde sind weg, viele Blutwerte haben sich verbessert, das erreichte Ziel macht glücklich und stolz. Doch dann startet der Alltag und mit ihm der gefürchtete Jo-Jo-Effekt – die Fettpolster wachsen erneut. Neue Untersuchungen zeigen, dass eine treibende Kraft dahinter ein genetisches Programm in den Fettzellen ist. Die Studie von Forschern der ETH wurde kürzlich in der Fachzeitschrift «Nature» publiziert.

Fettzellen stellen bei Übergewicht viele ihrer Gene darauf ein, dass Energie im Überfluss vorhanden ist. «Bei Mäusen in dieser Situation werden an manchen Genen kleine Moleküle befestigt, bei anderen werden schon vorhandene Anhängsel entfernt», erläutert Ferdinand von Meyenn, Hauptautor der neuen Studie, im Gespräch. Im Fachjargon wird das Muster von Anhängseln als epigenetisches Muster bezeichnet. Diese Veränderungen führen dazu, dass manche Gene aktiver sind, andere hingegen abgeschaltet werden.

Die Genaktivität wird durch Übergewicht verändert

Bei den übergewichtigen Mäusen werden die Fettzellen unter anderem darauf programmiert, dass sie ständig sehr viel Fett einlagern. Sie blähen sich auf. Zudem werden vermehrt neue Fettzellen gebildet. Somit kann insgesamt mehr Fett gespeichert werden. Gleichzeitig drosseln die Fettzellen ihren Grundumsatz. Sie müssen sich schliesslich nicht mehr besonders anstrengen, eigene Fettmoleküle aufzubauen, sie bekommen sie den ganzen Tag frei Haus geliefert.

Doch leider behielten die Fettzellen der Tiere auch nach einer Diät das epigenetische Muster der Übergewichtsphase bei. Die Fettzellen wechselten also nicht wieder zurück in den normalen Modus. Sie waren weiterhin darauf programmiert, dass Energie im Überfluss vorhanden ist. Da jede Zelle grösser war als früher und zudem mehr Fettzellen im Gewebe vorhanden waren, war der Fetthunger übergross.

«Wir sind überzeugt, dass dieses Übergewichtsgedächtnis auch bei menschlichen Fettzellen beim Zunehmen angeschaltet wird und nach der Diät weiterhin existiert», sagt von Meyenn. Zwar hat das Team nicht die epigenetischen Muster von menschlichen Fettzellen bestimmt. Aber dafür haben sie sich detailliert deren Genaktivität vor und nach einer Diät angeschaut. «Wir haben bei menschlichen Fettzellen vor und nach einer Diät dieselben Aktivitätsmuster gesehen wie bei den Mäusen.»

Bei den Mäusen seien die Ursache der Genaktivitäten die epigenetischen Muster, betont der Epigenetikexperte. Also sei es absolut plausibel anzunehmen, dass auch menschliche Fettzellen nach dem Gewichtsverlust weiterhin auf ständige Fettaufnahme programmiert seien.

Vermutlich bauen nicht nur die Fettzellen solch ein Übergewichtsgedächtnis auf. Fettzellen sind nur Teile eines grossen Teams, das die Nahrungsaufnahme und die zelluläre Vorratshaltung organisiert. So senden Fettzellen Signale an das Gehirn. Bestimmte Regionen schütten daraufhin Hormone aus, die Hunger- oder Sättigungsgefühl steuern. Vermutlich bleiben auch sie nach einer Diät auf eine gesteigerte Fetteinlagerung programmiert. Das wird das ETH-Team nun analysieren.

Wie können wir die Genaktivität modulieren?

Physiologisch gesehen ist die Lagerung von Fett- und auch anderen Zellen durchaus sinnvoll. Nahezu die gesamte Entwicklung der Menschheit hindurch wechselten sich Phasen mit einem Überangebot und einem Mangel an Nahrung ab. Somit musste der Körper sich darauf einrichten, Reserven für die harten Zeiten einzulagern, und genetische Programme entwickeln, die das steuern.

Das Problem heutzutage ist, dass es in vielen Ländern ständig ein Überangebot an Nahrung gibt. Um schlank zu bleiben, müssen wir also genau darauf achten, nicht mehr Energie aufzunehmen, als unser Körper benötigt. Das Programm für die Vorratshaltung können wir nicht einfach beenden.

Den Schalter dafür liefern auch die neuen Erkenntnisse nicht. Doch sie können dazu beitragen, den Jo-Jo-Effekt gezielt zu bekämpfen. Es ist bekannt, dass Faktoren wie körperliche Aktivitäten oder manche Nahrungsmittel diverse epigenetische Muster modulieren.

Noch ist unklar, ob nun Schwimmen um sechs Uhr morgens, Velofahren um acht Uhr abends oder Blaubeeren zum Mittagessen – um nur einige Beispiele zu nennen – das Übergewichtsgedächtnis beeinflussen. Angesichts der Komplexität der Prozesse ist zu erwarten, dass nur eine Kombination verschiedener Faktoren erfolgversprechend sein wird. Aber da nun eine molekulare Ursache des Jo-Jo-Effekts bekannt ist, können Experten viel gezielter als bisher nach dem Erfolgsrezept suchen.

Abnehmen ist auf jeden Fall gesund

Das Wissen über das genetisch verankerte Übergewichtsgedächtnis entkräftet zudem das Stigma, das viele Menschen in der Jo-Jo-Phase belastet. Nehmen sie nach einer Diät zu, heisst es oft, sie seien willensschwach, sie sollten sich doch bitte jetzt, nachdem sie so einen Erfolg erzielt hätten, zusammenreissen und normal essen.

Doch genau diesem Wunsch, den die Betroffenen zweifellos haben, wirkt die Programmierung der Zellen entgegen. Die epigenetischen Muster der Fettzellen signalisieren nonstop einen überhöhten Fettbedarf. Da das Fettgewebe insgesamt grösser ist als früher, tun das sehr viele Fettzellen. Das Gehirn wandelt diese Flut an Signalen in ein übergrosses Hungergefühl um.

Diesem sehr starken inneren Befehl müssen sich zuvor übergewichtige Menschen nach einer Diät also den ganzen Tag über widersetzen. Und wenn sie schlecht schlafen auch noch nachts. Das verlangt eine enorme Disziplin. Es ist fraglich, ob sich jemand den Befehlen seines Körpers ohne medikamentöse Hilfe komplett widersetzen kann.

Erschwerend kommt hinzu, dass nach einer Diät durch Veränderungen im Stoffwechsel und oftmals eine geringere Muskelmasse generell weniger Energie benötigt wird als zuvor. Somit muss eine Person deutlich weniger essen, um schlank zu bleiben. Der Jo-Jo-Effekt tritt also auch ein, wenn jemand seine Essensmenge nur geringfügig reduziert.

Ein Trost bleibt auf jeden Fall: Abnehmen mit einem ausgewogenen Programm ist gesund. Nimmt man irgendwann wieder zu, sollte man daher wieder ein Gewichtsreduktionsprojekt starten – so nervig das auch ist.

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